Sa 25.01.2025 20 Uhr
Sebastian Krämer

„Liebeslieder an deine Tante“

Ich denk’ an deine Tante, / wüßte nicht, wann ich je so brannte./
Ist sonst nicht meine Art, / liegt an Hildegard … „

Diese Chansons wollen nicht „Mut machen“, haben keine Parolen oder auch nur Empfehlungen zur Gestaltung einer besseren Welt zur Hand. Wir haben es hier nicht mit zielführender Kritik an den bestehenden Verhältnissen zu tun. Wohl aber mit dem Versuch, den sorgsam verpackten Schmerz im Hörer aufzuspüren und freizusetzen, weil er zum wenigen gehört, das ihm inmitten seiner ganz persönlichen Zombie-Apokalypse noch die eigene Lebendigkeit anzeigt. Die bizarre Schönheit der Krämerschen Verse und Harmonien ist mit jenem Schmerz im Bunde. Und mit deiner Tante …

… Das liegt zuvorderst daran, dass Krämers Kunst sich den gängigen Schubladen entzieht. Kabarettist würde er sich nie nennen, Comedian erst recht nicht. Er ist ein Chansonnier im komischen Fach, schlimmer noch, ein Vertreter der Hochkomik. Und selbst in dieser Nische ist er ein Unikum, nicht zeitkritisch wie ein Thomas Pigor, keine absurde Kunstfigur wie Rainald Grebe, kein zwanghafter Reimeschmied wie Bodo Wartke. Krämer sieht sich in der Liedermacher-Tradition eines Christof Stählin, dessen „Sago-Akademie für Poesie und Musik“ er auch besucht hat. Da hat er vor allem gelernt, dass ein Liedermacher sich vor zu viel Selbstinszenierung hüten und nicht jedes Lied Ausdruck des Innersten sein muss. So kommt es zu der enormen thematischen wie stilistischen Bandbreite seiner Lieder und zu den oft eher abseitigen, abgründigen Themen, die sich ihren Weg gewissermaßen selbst gesucht haben.
Süddeutsche Zeitung, 4.6.2019